Mit Wein, Weib und……
Exkursion nach Niederösterreich 2015

Augsburg-München-Passau und dann endlich Wels! Nach einer angenehmen Fahrt mit dem komfortablen Reisebus erreichen wir gegen Mittag unser erstes Ziel in Österreich und dürfen uns hier schon an ein gleichsam zweites Motto dieser Exkursion 2015 gewöhnen: Vom Barbaricum zum Imperium und zurück!

Vom 1. bis zum 5.Jahrhundert bezeichnete die Donau die Nordgrenze des römischen Reiches. Das heutige Wels war ein wichtiger Stützpunkt und eine Art Außenposten des römischen Reiches. Unter Kaiser Hadrian wurde das römische Ovilava zum municipium erhoben und entwickelte sich so gut, dass Kaiser Caracalla die Stadt zur colonia (Großstadt) ernannte. Wels wurde zum Verwaltungszentrum der Region Ufernoricum. Wir besuchen hier das Stadtmuseum und werden von der Stadtarchäologin und Museumsleiterin Frau Dr. Miglbauer in das römische Leben von Ovilava eingeführt.

Nicht weit von Wels entfernt liegt das malerische Städtchen Grein. Im Zentrum Rathaus, Apotheke und eine Überraschung von europäischem Rang. Im Jahre 1563 errichteten die Bürger von Grein ein Rathaus mit Getreidespeicher. 1791 wird in diesem „Troadkast’n“ ein bürgerliches Theater eingerichtet, das seither ohne Unterbrechung Spielbetrieb hat. „Sperrsitze“, die man wirklich mit einem Schlüssel auf- und zusperren kann, ein Plumpsklo, das nur durch einen Vorhang vom Zuschauerraum getrennt ist, eine Gefängniszelle, von der aus die Gefangenen die Darbietungen mit verfolgen können und natürlich die hinreißend gestaltete und vollständig erhaltene Einrichtung aus bemaltem Holz „ergötzen“ und bezaubern uns.

Nach einer knappen Stunde Fahrt dann schon das nächste Highlight: wir sind am linken Donauufer, in Willendorf angekommen. Der kleine Ort ist weltberühmt und repräsentiert für unsere Exkursion das „Weib“ schlechthin. Am 7. August 1908 stieß man bei der Freilegung einer Fundstelle mit paläolithischen Relikten in Schicht 9, die man dem Gravettien zurechnet, auf die etwa 25.000 Jahre alte und nur 11 cm große Frauenfigur. Die Statuette, die ursprünglich sogar mit Rötel bemalt war, zeigt eine füllige, nackte Frau, mit einer fein heraus gearbeiteten Frisur oder Kopfbedeckung. Diese Figurine wurde unter dem Namen Venus von Willendorf weltberühmt. Im Venusium, einem schicken kleinen Museum wird die Geschichte der Entdeckung, aber auch das Umfeld und die archäologische Bedeutung eindrucksvoll präsentiert.

Der 1.Tag geht zu Ende, wir erreichen nach kurzer Fahrt Krems und checken dort im Hotel und Gasthof Klinglhuber zum Abendessen und zum Übernachten ein. Hier wird unser Standort während der ganzen Exkursion sein!

Am nächsten Morgen brechen wir zeitig nach Norden auf und erreichen bald die Stadt Horn im Kamptal. Im 11. Jahrhundert entstand die Kirchensiedlung am rechten Ufer der Taffa. Die Stadtmauer ist noch weitgehend erhalten. Beim Bürgerspital an der Stadtmauer liegt das Höbarthmuseum. Der Urzeitforscher Prof. Josef Höbarth hat 1930 eine der größten urgeschichtlichen Sammlungen Österreichs begründet. Älteste Werkzeuge belegen die Anwesenheit des Neandertalers vor 40.000 Jahren. Jungsteinzeit, Bronzezeit und die Eisenzeit sind mit prächtigen Grabbeigaben gut vertreten. Besonders beeindruckend ein Gefäß der Hallstattzeit mit figürlichen Darstellungen von „Tanzenden Frauen“, das wir während der Führung durch Prof. Toni Kurz und Amand Körner von ganz nah und ganz ohne Vitrinenglas dazwischen anschauen dürfen.

Archäologische Ausgrabungen gibt es dann im Stift Altenburg zu besichtigen. Das Neueste im Kloster ist das Alte Kloster, verheißt ein Prospekt. „Was durch Jahrhunderte verschüttet, verborgen, unerkannt oder unbekannt war, großenteils von der Erde bedeckt und zugleich bewahrt, das ist wieder ans Tageslicht gekommen.“ So schreibt Abt Bernhard Naber und lädt zu einem Besuch in das Mittelalter ein. Durch archäologische Grabungsarbeiten konnten in den letzten Jahren bauliche Zeugnisse des Klosterlebens seit der Gründung im Jahr 1144 freigelegt werden.

Der späte Nachmittag gehört Krems, der Stadt am Tor zur Wachau. Wir sind zur Stadtbesichtigung eingeladen von Frau Prof. Dr. Krenn-Leeb und Herrn Dr. Martin Krenn und wir werden bald darüber aufgeklärt sein, wie das so ist mit „Krems“ und „Stein“ und dem Ortsteil „Und“ dazwischen, den es wirklich gibt, auch wenn man es erst nicht glauben mag. Die ehemals eigenständige Stadt Stein ist erst seit 1938 zu Krems eingemeindet und das Kloster Und war ein Kapuzinerkloster und Marienwallfahrtsort der Gegenreformationszeit. Es bestand von 1614 bis 1796 und der Name Und ist einfach vom lateinischen unda „Welle, Wasser, Strom“ abzuleiten.

Der Stadtrundgang durch die Altstadt von Krems kann einen Bogen schlagen von der sensationellen Auffindung einer Zwillingsbestattung unter dem Schulterblatt eines Mammuts auf dem Hundsteig über das bisher älteste Kunstwerk Österreichs, der Fanny vom Galgenberg, die mit 32.000 Jahren sogar noch ein paar tausend Jahre älter als die Venus von Willendorf ist. Südlich dieser altsteinzeitlichen Fundstelle entsteht im frühen Mittelalter eine Siedlung. Die Stadtrechtsurkunde von 1305 markiert die kontinuierliche Entwicklung von der mittelalterlichen Siedlung zur landesfürstlichen Stadt mit Sonderrechten. Die Gozzoburg, deren Geschichte seit 2006 neu erforscht wurde und neu geschrieben werden musste, legt von dieser Epoche beredtes Zeugnis ab: 1250 erwirbt der angesehene Bürger und Stadtrichter Gozzo Grund und einen Vorgängerbau vom Beginn des 13. Jh. und erweitert und baut aus. Er hat einen italienischen Palast zum Vorbild mit Loggia zur Straßenseite und einem prunkvollen Wappensaal. Immer neue Überraschungen bietet dieser Baukomplex auch heute noch, wie die noch erhaltenen Fresken über später eingezogenen Gewölbebögen.

Krems ist heute ein florierender Wirtschaftsstandort mit Universität und zahlreichen Kultur- und Bildungseinrichtungen. Natürlich ist Krems auch europäische Weinstadt am Tor zur Wachau, wovon wir uns bei einer Weinprobe und beim Heurigen gerne überzeugen lassen.

Am nächsten Tag werden wir doch auch wieder an die Römer erinnert. Wir fahren vom „Barbaricum“ kommend über die Donau ins Gebiet des „Imperium Romanum“. An der Seite der heutigen Stadt Mautern schützte das Kastell Favianis einen wichtigen Flußübergang. Einige Teile der spätrömischen Befestigungen sind bis heute erhalten. So auch der spätantike Hufeisenturm in der Westfront des Kastells. Im barocken „Schüttkasten“ gleich daneben wurde das neue Römermuseum eröffnet. Besondere Bedeutung erhielt Favianis als der heilige Severin hier ein Kloster errichtete von dem Eugippius in seiner „Vita Sancti Severini“ berichtet.

Doch schon lange vor den Römern hatte die Traisen, ein südlicher Zufluss der Donau, in ihrem unteren Abschnitt, zwischen der heutigen Landeshauptstadt St. Pölten und der Donau, eine weitläufige Tallandschaft gebildet, die seit 30.000 Jahren von Menschen aufgesucht wird und ab dem sechsten Jahrtausend v. Chr. dicht besiedelt war. Hier befindet sich eines der außergewöhnlichsten Fundgebiete Österreichs. Das Gräberfeld von Franzhausen gilt als größter frühbronzezeitlicher Bestattungsplatz Mitteleuropas mit über 2300 Bestattungen.

Das Kellergebäude des ehemaligen Schlosses Nußdorf ob der Traisen beherbergt seit 1993 das Urzeitmuseum Nußdorf-Traisental mit einer erst 2007 aktualisierten Daueraustellung. Sehr sehenswert ist das Grab Objekt 110: eine Frauenbestattung der frühen Bronzezeit (2300/2200-1600 v. Chr.) mit dem Zierblech einer ganz außergewöhnlichen Kopfbedeckung!

Noch schnell ein Foto vom Mammut vor dem Museum, dann geht die Fahrt schon wieder weiter nach St. Pölten. Die Ausgrabung auf dem Domplatz, die uns so erfrischend engagiert von den Archäologen Frau Sommer und Herr Fuchs gezeigt wird, belegen ein reiches Leben in der römischen Metropole Municipium Aelium Cetium. Sie berichten von der Entdeckung eines römischen Verwaltungspalastes mit Badehaus aus dem 4./5. Jahrhundert n. Chr. mit außergewöhnlichen Baustrukturen und einer Kirche, die derzeit als älteste bekannte Kirche Niederöstereichs gilt und die unter Verwendung von römischen Mauern im 9. Jahrhundert n. Chr. errichtet wurde. Sensationell und europaweit einmalig ist die Aufdeckung und Untersuchung von mehr als 9100 Skeletten. Überraschend witzig und liebenswert auch der Umgang der Stadt St. Pölten mit ihrem historischen Erbe und den Behinderungen für das moderne Stadtleben.

Seit mehr als 900 Jahren beten und arbeiten Benediktinermönche auf dem Göttweiger Berg. 2001 wurde das Stift in die UNESCO Weltkulturerbeliste aufgenommen. Die Stiftskirche als Zeugnis barocker Pracht ist der bauliche Mittelpunkt dieses Klosters. Mit einem kleinen Abstecher über Stift Göttweig wird der 3. Exkursionstag beendet.

Der 4. Reisetag bringt uns den Römern wieder ganz nah. Das Ziel heißt Petronell / Carnuntum, das als Drehscheibe der Weltpolitik im Jahr 308 n. Chr. zu sehen ist, als drei römische Kaiser dort über die Zukunft des römischen Reiches entschieden. Ein Monument im Archäologischen Park Carnuntum erinnert an dieses Ereignis. So nah waren uns die Römer noch nie! Mit diesem Slogan wird Carnuntum denn auch als wiedergeborene Stadt der Kaiser im Prospekt angepriesen und tatsächlich weltweit einmalig sind die Rekonstruktionen der wesentlichen Architekturtypen eines römischen Stadtviertels. Nicht nur im Haus des Tuchhändlers Lucius glaubt man sich in eine Zeit vor 1700 Jahren zurückversetzt, die rekonstruierten Häuser sind voll möbliert und funktionstüchtig. Ein Zeitfenster ins 4. Jahrhundert nach Chr. ist weit geöffnet und bietet eindrucksvolle Einblicke.

Man könnte viele Stunden, ja Tage hier verbringen, aber wir fahren bald weiter zum entferntesten Punkt dieser Exkursion, nach Asparn/Zaya. In einer beeindruckenden Ausstellung im MAMUZ-Museum in Schloss Asparn werden vor unseren Augen Schätze aus 40.000 Jahren Menschheitsgeschichte ausgebreitet. Von der Urgeschichte bis ins Mittelalter spannt sich ein Bogen, der die Entwicklungen und wichtigsten Errungenschaften der Menschheit darlegt. Das archäologische Freigelände zeigt Wohn- und Wirtschaftsgebäude von der Steinzeit bis in die Eisenzeit. Jurten aus Leder und Hütten aus Holz und Lehm vermitteln anschaulich die Lebenswelten unserer Vorfahren.

Die Zeit ist vergangen wie im Flug, schon ist der letzte Tag ist gekommen und wir müssen wieder zurückreisen. Damit der Abschied nicht so schwer fällt, können wir im Renaissanceschloss Schallaburg noch eine Wikingerausstellung besuchen. Wieder in Passau angelangt, werden wir im Kastell Boiotro von Herrn Dr. Niemeier empfangen, der die neu eingerichtete und wesentlich erweiterte Ausstellung über das römische Passau erklärt.

Doch dann müssen wir uns endgültig von den ersten Mitreisenden verabschieden und dürfen uns bei Wilhelm Wagner, dem Organisator und Reiseleiter dieser erlebnisreichen, vielfältigen und wunderbar zusammengestellten Exkursion bedanken.

Gisela Mahnkopf (Text und Bilder)