Sommer„urlaub“ 2020 in Jesenwang

Lehrgrabung des Historischen Vereins Fürstenfeldbruck e. V. und der Gesellschaft für Archäologie in Bayern e. V.

Jesenwang, Grabungsareal Luftbild der Grabungsfläche Jesenwang von Westen (Bildrechte: Stefan Kluthe) Bild vergrößern

Vor 20 Jahren entdeckte die Feldbegeherin Roswitha Spohd auf einem Acker bei Jesenwang im Landkreis Fürstenfeldbruck vorgeschichtliche Keramik und Steinartefakte. Die Funde ließen sich zwei verschiedenen Zeitstufen zuordnen: Die Silices, einige Steinbeile und die Masse der Keramik gehört der endneolithischen Chamer Kultur an, während charakteristische Graphittonkeramik und Fragmente von blauen Glasarmringen und Glasperlen eine erneute Besiedlung während der Latènezeit anzeigen.

Die Fundstelle erstreckt sich über mehrere Flurstücke auf einem Hügelrücken der Altmoräne und dem nach Süden anschließenden Hang oberhalb des Wildmooses. Nur wenige hundert Meter entfernt liegt eine keltische Viereckschanze und in der Ebene unterhalb des Fundorts sind mehrere römische Siedlungsstellen bekannt. Ein mögliches Bindeglied zwischen der keltischen und der römischen Besiedlung stellt ein 2004 gefundener Bronzearmring dar, der in den Kontext der frührömischen Heimstettener Gruppe gehört.

Seit 2016 wird die Fundstelle regelmäßig von den Feldbegehern des Historischen Vereins Fürstenfeldbruck prospektiert und Fundkonzentrationen werden erfasst. Im Jahr 2018 konnte im Rahmen einer Projektförderung des Sachgebiets Ehrenamt in der Bodendenkmalpflege beim Bayerischen Landesamt für Denkmalpflege eine geomagnetische Messung auf einer Teilfläche des Siedlungsareals durchgeführt werden. Darin zeichnete sich eine hohe Befunddichte ab, jedoch nur wenige eindeutige Gebäudestrukturen. Eine 2019 durchgeführte Erosionsmessung durch ein Raster von Bohrproben bestätigte die bereits bei den Feldbegehungen beobachtete Gefährdung der archäologischen Befunde durch die landwirtschaftliche Nutzung. Zugleich ergaben sich aus den Bohrungen verschiedene geologische Fragestellungen zum Alter und der Frequenz der Abschwemmungen, die nur durch großflächigere Sondierungen zu klären waren.

Für den Sommer 2020 wurde daher in Zusammenarbeit mit dem BLfD und der Gesellschaft für Archäologie in Bayern eine geoarchäologische Lehrgrabung geplant. Als Sachverständige für bodenkundliche Fragen und ihre Wechselwirkungen mit der menschlichen Besiedlung konnte die Geoarchäologin Britta Kopecky-Hermanns gewonnen werden. Die Grabung wurde wiederum als Ehrenamtlichenprojekt durch das BLfD gefördert und für die Mitglieder des Historischen Vereins Fürstenfeldbruck und der Gesellschaft für Archäologie in Bayern als Lehrgrabung durchgeführt.

Jesenwang, Durchsuchen des Abraums Durchsuchen des Abraums nach Funden (Bildrechte: Chris Schäfer) Bild vergrößern

Bei durchgehend strahlendem Sonnenschein und Temperaturen um die 30° C gruben sich vom 8. bis zum 16. August jeden Tag unermüdlich bis zu 35 ehrenamtliche Helfer in den harten Lehmboden des Moränenhügels. Anhand des geophysikalischen Messbilds wurden drei kleine Sondageschnitte im oberen Teil des Hügels geöffnet und am Hangfuß wurde ein Geoprofil angelegt. Parallel dazu richtete der Historische Verein Fürstenfeldbruck einen Infostand für interessierte Bürger ein, der sich regen Zulaufs erfreute. Für die Grabungsteilnehmer wurden außerdem zwei Exkursionen zu archäologischen Denkmälern in der näheren Umgebung angeboten.

Nach dem schweißtreibenden Abtrag des Ackerbodens zeichneten sich die ersten archäologischen Befunde wegen der besonderen geologischen Situation des Untergrunds zunächst nur undeutlich ab. Erst nach einem weiteren Abtrag konnten in zwei Grabungsflächen mehrere sich überschneidende Gruben freigelegt werden. Die kreisrunden bis ovalen, oft annähernd senkrecht in den Boden reichenden Befunde waren wohl Vorratsgruben. Ihre dichte Verteilung und die mehrfachen Überschneidungen sprechen für eine Lage im Kernbereich eines lange genutzten Siedlungsareals.

Eine Grabungsfläche war ohne archäologische Befunde, die dort offenbar bereits vollständig zerstört waren und damit besonders deutlich die Folgen der mindestens seit dem Spätmittelalter andauernden Erosion zeigen.

Die aus den Gruben geborgenen Funde gehören ausschließlich in die Zeit der Chamer Kultur. Aus der keltischen Siedlungsphase fanden sich nur einzelne Stücke im Ackerhorizont, darunter das Fragment einer blauen Glasperle.

Doch die Funde standen auch nicht Vordergrund bei dieser Grabung, davon sind aus den Aufsammlungen der letzten 20 Jahre schönere Stücke im Museum Fürstenfeldbruck ausgestellt. Das Ziel der Grabung war die Feststellung der archäologischen und geologischen Situation der Fundstelle und ihrer Gefährdung durch die anhaltende Erosion. Dieses Ziel wurde durch den engagierten Einsatz aller Beteiligten in hervorragender Weise erreicht. Die in einigen Bereichen vergleichsweise gute Befunderhaltung zeigt, dass die Fundstelle in ihrer Existenz nicht unmittelbar bedroht ist, sofern die landwirtschaftliche Nutzung weiterhin schonend mit den archäologischen Zeugnissen umgeht.

Markus Wild
Archäologe und Kreisheimatpfleger im Landkreis Fürstenfeldbruck

Die Dokumentarfilmer Birgit Regler und Rudi Schleich haben in den Tagen der Ausgrabung eine Dokumentation gedreht, die Sie sich gerne auf der Homepage des Historischen Vereins Fürstenfeldbruck anschauen können.
Lehrgrabung Jesenwang – „Der Film“