Aufsatz zur "Charta von La Valetta" «zurück» 123456 «weiter»

1. Präambel

Die Präambel des revidierten Übereinkommens betont, dass das archäologische Erbe wesentlich zur Kenntnis der Menschheitsgeschichte beiträgt und dass das europäische archäologische Erbe, das von der frühesten Geschichte Zeugnis ablegt, durch die wachsende Zahl groß angelegter Planungsvorhaben, natürliche Gefahren, heimliche und unwissenschaftliche Ausgrabungen und unzulängliches öffentliches Bewusstsein ernsthaft von Zerstörung bedroht ist (Präambel, Abs. 9). Die Mitgliedstaaten bekräftigen weiterhin die Tatsache, dass es wichtig ist, geeignete verwaltungsmäßige und wissenschaftliche Überwachungsverfahren einzuführen, soweit sie nicht schon vorhanden sind, und dass es notwendig ist, den Schutz des archäologischen Erbes in Städtebau und Raumordnung sowie in der Kulturentwicklungspolitik fest zu verankern.

Hierzu nimmt das revidierte Übereinkommen in der Präambel z. B. auf die Empfehlung Nr. R(89)5 betreffend den Schutz und die Förderung des archäologischen Erbes im Rahmen der Städteplanung und Raumordnung, die anlässlich der 425. Zusammenkunft durch das Ministerkomitee der Mitgliedstaaten des Europarats am 13. April 1989 beschlossen wurde, Bezug.

Diese Präambel stellt zugleich die Aktivitäten des Europarats im Bereich des kulturellen Erbes seit Inkrafttreten des Europäischen Kulturabkommens dar. Die Parlamentarische Versammlung hat beispielsweise Empfehlungen zum kulturellen Erbe unter Wasser, zum Gebrauch von Metalldetektoren und zur Weitergabe von Kunstwerken beschlossen und betont die Notwendigkeit eines gemeinsamen Vorgehens der europäischen Staaten.

Gerade die Empfehlung 921 (1981) über Metalldetektoren und Archäologie, die am 01. Juli 1981 vom Ständigen Ausschuss, der für die Versammlung tätig ist, angenommen wurde, wurde in dem Bedauern beschlossen, dass bestehende Gesetzesvorschriften in den meisten Mitgliedstaaten oder deren Durchsetzung bei weitem nicht ausreichen, um die Zerstörung des archäologischen Erbes zu bekämpfen oder auch deren Zunahme zu verhindern.

2. Ziele des Übereinkommens

Ziel dieses (revidierten) Übereinkommens von Malta ist es, nach Art. 1 Abs. 1, das archäologische Erbe als Quelle gemeinsamer europäischer Erinnerung und als Instrument für historische und wissenschaftliche Studien zu schützen. Damit stimmt es mit der ICOMOS - Charta für den Schutz und die Pflege des archäologischen Erbes von 1989 (Charta von Lausanne) [22] überein, wonach das archäologische Erbe jener Teil des materiellen Erbes ist, über den archäologische Methoden grundlegende Erkenntnis liefern (Art. 1). Sein Schutz ist als moralische Verpflichtung aller Menschen und als ein gemeinsamer öffentlicher Auftrag zu betrachten.

Diese Verpflichtung muss erfüllt werden durch eine entsprechende Gesetzgebung, sowie durch die Bereitstellung ausreichender finanzieller Mittel für eine effektive archäologische Denkmalpflege (Art. 3 Abs. 1 der Charta von Lausanne). Damit sind auch finanzielle Beiträge des Verursachers oder Veranlassers einer Grabung eingeschlossen, falls dieser daraus einen Vorteil hat.

Das Ziel des Übereinkommens von Malta soll u. a. erreicht werden durch:

  • Hervorhebung der wissenschaftlichen Bedeutung des archäologischen Erbes,
  • Einführung eines Rechtssystems zum Schutz des archäologischen Erbes durch die Vertragsparteien,
  • Regelung zur Durchführung archäologischer Tätigkeiten, gleichermaßen auf öffentlichem oder privatem Gelände,
  • Bereitstellung von geeignetem Personal und finanziellen Mitteln durch die Staaten zur Schaffung und Erhaltung archäologischer Schutzzonen, ausgegrabener Stätten und Gegenstände,
  • Abstimmung von Erschließungsplänen mit den jeweiligen Erfordernissen der Archäologie und Beteiligung von archäologischen Fachleuten am Planungsprozess,
  • Bereitstellung finanzieller Mittel für die archäologische Forschung,
  • laufende Aktualisierung der Vermessungspläne und Inventare sowie Karten archäologischer Stätten,
  • Verbreitung von Informationen, die durch Arbeiten an dem historischen Erbe gewonnen werden,
  • bildungspolitische Maßnahmen zur Förderung des Bewusstseins für den Wert des archäologischen Erbes und Öffentlichkeit des Zugangs zu den Stätten und Gegenständen,
  • Verpflichtung der Vertragsparteien zur Verhinderung der unerlaubten Weitergabe von Elementen des archäologischen Erbes und Einrichtung eines zentralen Erfassungssystems über unerlaubte Ausgrabungen,
  • Verpflichtung der Vertragsstaaten zu gegenseitiger technischer und wissenschaftlicher Hilfe und Förderung des Austausches von Fachleuten,
  • Einsetzung eines Sachverständigenausschusses zur Überwachung und Anwendung des Übereinkommens.

Das revidierte Europäische Übereinkommen zum Schutz des archäologischen Erbes berührt die ausschließliche Gesetzgebungskompetenz des Freistaates Bayern. Dies gilt insbesondere für die Regelungen über:

  • archäologische Schutzzonen (Art. 2 Abs. 2),
  • zufällige Funde (Art. 2 Abs. 3),
  • Genehmigungspflicht sowie Maßnahmen gegen Einsatz von Metalldetektoren (Art. 3),
  • Verursacherprinzip (Art. 6).

Da die Umsetzung des revidierten Übereinkommens in Landesrecht legislative Maßnahmen erfordert, soll der Umsetzungsbedarf bei den Denkmalschutzgesetzen aufgezeigt werden. Die Gliederung des Übereinkommenstextes in Ziffern (i, ii, iii) wurde hier in Absätze geändert entsprechend dem Übereinkommen von 1969.

3. Definition des Erbes (Art. 4)

Nach Art. 1 Abs. 2 gelten als Elemente des archäologischen Erbes alle Überreste und Gegenstände sowie alle aus vergangenen Epochen herrührenden sonstigen Spuren des Menschen. Die Bestimmung des Archäologischen Erbes als Schutzgegenstand in Art. 1 Abs. 3 umfasst Bauwerke, Gebäude, Ensembles, erschlossene Stätten , bewegliche Gegenstände, Denkmäler jeder Art sowie ihre Umgebung, gleich ob an Land oder unter Wasser. Somit knüpft die Definition zwar an Art. 1 des Londonder Übereinkommens vom 06. Mai 1969 an, geht aber in ihrem Regelungsgehalt weit darüber hinaus und schließt nun auch die Umgebung des archäologischen Erbes ein.

Damit sind Zeugnisse aus allen Epochen und nicht nur solche, "die aus Epochen stammen, für die Ausgrabungen und Funde eine der Hauptquellen wissenschaftlicher Erkenntnisse sind" (§ 19 Satz 1 HessDSchG) [23] bzw. die "in der Regel aus vor- und frühgeschichtlicher Zeit stammen" (Art. 1 Abs. 4 BayDSchG) [24].

Zwar nennt Art. 1 Abs. 2 Nr. ii des Übereinkommens Überreste usw., „für die Ausgrabungen und Funde und andere Methoden der Erforschung des Menschen und seiner jeweiligen Umwelt als hauptsächliche Informationsquelle dienen“, doch betont dazu die Denkschrift zum Übereinkommen, dass jedes wie immer geartete Zeugnis, das die menschliche Vergangenheit erhellen kann, wichtig ist [25]. Folglich wird man das Bayerische Denkmalschutzgesetz schon heute unter der höherrangigen Vorgabe des Übereinkommens von Malta dahin auslegen müssen, dass auch in Bayern Bodendenkmäler aus allen vergangenen Epochen unter den Denkmalschutz fallen.

Art. 1 Abs. 2 hebt ferner hervor, dass die Umgebung, in der diese Elemente gefunden werden, für das archäologische Erbe die gleiche Bedeutung hat wie die Elemente selbst. Daher erscheint der Begriff der Bodendenkmäler in Bayern in Art. 1 Abs. 4 BayDSchG zu eng, der nicht ausdrücklich die sonstigen Spuren des Menschen berücksichtigt, sondern Bodendenkmäler nur als bewegliche und unbewegliche Denkmäler definiert, die sich im Boden befinden oder befanden.

Das Übereinkommen von Malta erfasst auch das archäologische Erbe unter Wasser, so dass dort, wo Bodendenkmäler bewegliche oder unbewegliche Denkmäler sind, die sich im Boden befinden oder befanden (z. B. Art. 1 Abs. 4 BayDSchG), der Bodendenkmalbegriff zu eng ist. Für den Fall, dass Denkmäler unter Wasser, aber nicht im Untergrund des Gewässers eingesunken sind, wird man die Denkmaldefinition nach Sinn und Zweck analog anwenden können, so dass „Unterwasserdenkmäler“ wie Bodendenkmäler behandelt werden.

Eine Klarstellung in Art. 1 Abs. 4 BayDSchG oder an anderer Stelle würde der Rechtssicherheit dienen. Beschränkung auf Gegenstände an Land wäre nicht übereinkommenskonform. Schließlich hatte die Parlamentarische Versammlung des Europarats 1978 Empfehlungen zum kulturellen Erbe unter Wasser [26] gegeben, auf die Absatz 6 der Präambel des Übereinkommens von Malta ausdrücklich Bezug nimmt. So werden z.B. in Schleswig-Holstein nach § 1 Abs. 2 Satz 3 DSchG SH archäologische Denkmale als bewegliche oder unbewegliche Kulturdenkmale geschützt, die sich im Boden, im Moor oder in einem Gewässer befinden oder befanden [27].

Das Übereinkommen von Malta beschränkt sich auf das archäologische Erbe, da das erdgeschichtliche Erbe anders als nach der in Bayern nach der Ausgrabungsverordnung von 1908 und auch sonst in Deutschland vielfach bestehenden Rechtstradition [28] in einigen anderen Ländern Europas wie in Österreich zu dem Naturerbe gezählt wird [29]. Durch diese Beschränkung des Übereinkommens von Malta wird die Einbeziehung von erdgeschichtlichen Denkmälern wie Fossilien in Deutschland nicht beschränkt.

So wurde in Hessen die Fossillagerstätte Grube Messel nach dem hessischen Denkmalschutzgesetz von 1974 als Bodendenkmal (§ 19 HessDSchG) geschützt [30], während sie beim Schutz nach der UNESCO-Welterbekonvention von 1972 als Naturerbe 1995 in die Welterbeliste eingetragen wurde. Entscheidend war, dass der Denkmalschutz einen ausreichenden tatsächlichen und rechtlichen Schutz für die Fossillagerstätte bietet.

Auf Fragen der Abgrenzung zwischen Kultur und Natur [31] geht das Übereinkommen nicht ein, wenn man einmal von der Erwähnung anderer Verträge in Art. 11 absieht, die sich aber nicht auf diese Abgrenzungsfragen beziehen.
Durch die Verpflichtungen aus dem höherrangigen Übereinkommen von Malta, das durch das Denkmalschutzgesetz ungesetzt werden soll, sind beim Kulturerbe die Denkmalschutzvorschriften im Falle eines Konflikts prioritär [32].

Obwohl dank sensationeller erdgeschichtlicher Funde in Bayern nicht zuletzt wegen ihres Verkaufs ins Ausland Schlagzeilen machen, war man in Bayern bisher nicht bereit, die Vorschriften des Denkmalschutzgesetzes aus Verantwortung für diese Funde auf erdgeschichtliche Denkmäler entsprechend anzuwenden. Andere Länder wie Rheinland-Pfalz, wo die bayerische Ausgrabungsverordnung von 1908 ebenfalls galt, sind diesen Weg gegangen und haben diese ehemals historisch merkwürdigen Gegenstände in den Denkmalschutz einbezogen [33].


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