Aufsatz zur "Charta von La Valetta" «zurück» 123456 «weiter»

8. Schutzmaßnahmen der Vertragspartei (Art. 4)

Jede Vertragspartei verpflichtet sich nach Art. 4, Maßnahmen zum physischen Schutz des archäologischen Erbes zu ergreifen durch Erwerb von Gelände, Erhaltung und Pflege des archäologischen Erbes an Ort und Stelle und Schaffung geeigneter Aufbewahrungsorte für Funde. Diese Forderungen richten sich an die Länder, müssen also umgesetzt werden. So ist nach Art. 4 Abs. 1 "nach den Umständen" der "Erwerb oder anderweitiger geeigneter Schutz von Gelände seitens der Behörden" für die Schaffung archäologischer Schutzgebiete geboten. Der Bezug zu dem Erfordernis der archäologischen Schutzzonen nach Art. 2 Abs. 2 ist unverkennbar.

Auch wenn Schutzzonen schon bisher durch freihändigen Erwerb des Geländes erreicht wurden, sollte neben der Möglichkeit der Ausübung des Vorkaufsrechts oder der Enteignung (Art. 18 BayDSchG) als ultima ratio in den Landesdenkmalschutzgesetzen zur Umsetzung dieses Gebots der Ankauf von Flächen durch das Land und die Gemeinden sowie weitere Körperschaften schon aus haushaltsrechtlichen Gründen vorgesehen werden. Schließlich muss der Käufer zur Erfüllung dieser Gemeinwohlaufgabe legitimiert sein. Für Bayern ist anzumerken, dass das Vorkaufsrecht des Art. 19 DSchG für Bodendenkmäler oder Grabungsschutzgebiete nicht vorgesehen ist.

Der Schutz kann außerdem auch in anderen Verfahren (z. B. als Aufgabe der Landeskultur) [56] wie durch Neugestaltung des Flurbereinigungsgebiets nach dem Flurbereinigungsgesetz dadurch erreicht werden, dass einzelne Flächen aus der Flurbereinigung herausgenommen werden [57].

Bei Art. 4 Abs. 3 müssen anders als zuvor bei Art. 2 und 3 bei der Schaffung geeigneter Aufbewahrungsorte (Magazine, Museen) nicht zwingend gesetzliche Vorgaben abgeleitet werden. Man braucht somit zur Erfüllung dieser Verpflichtung in Deutschland keine "Fund-Archivgesetze" oder "Museumsgesetze" für die Aufbewahrung archäologischer Funde.

9. Integrierte Erhaltung (Art. 5)

Der Europarat hat mit seiner am 14. April 1976 gefassten „Resolution über die Anpassung von Gesetzen und Verordnungen an die Erfordernisse des integrierten Denkmalschutzes“ [58] die Grundsätze einer integrierten Denkmalschutzpolitik formuliert. Mit der Forderung nach integrierter Erhaltung wurden außerdem die im Übereinkommen zum Schutz des architektonischen Erbes in Europa (Granada 1985) [59] in Art. 10 formulierten Verpflichtungen für integrierte Erhaltungsmaßnahmen übernommen und für den Bereich des archäologischen Erbes weiterentwickelt.

Art. 5 Abs. 1 behandelt insbesondere die Berücksichtigung des Denkmalschutzes von der Raumordnungspolitik bis zu den verschiedenen Stadien der Erschließungspläne und damit insbesondere auch bundesrechtliche Bereiche vom Raumordnungsgesetz (ROG) bis zum Baugesetzbuch des Bundes (BauGB), wobei sich die europäischen Begriffe nicht ganz mit den deutschen Begriffen decken. So sollten in Deutschland z. B. bei den Zielen der Raumordnung die kulturellen Belange neben den sozialen und wirtschaftlichen Ansprüchen an den Raum in § 1 Abs. 2 Satz 1 ROG wieder genannt werden [60]. Dies ist nicht nur bei ausgedehnten Bodendenkmälern geboten, sondern z. B. wegen der Beachtung des römischen Limes als Weltkulturerbe und anderer Welterbestätten wie die bereits 986 eingetragenen römischen Baudenkmäler von Trier auch eine internationale Pflicht.

Die allgemeine Aufgabenstellung in den Denkmalschutzgesetzen wie bei öffentlichen Planungen und öffentlichen Maßnahmen nach § 2 Abs. 3 NdsDSchG bzw. § 1 DSchG NW oder § 2 Abs. 2 DSchPflG RP [61] ist notwendig, genügt aber nicht immer, so dass in den anderen planungsrechtlichen Instrumenten des Bundes und des Landes die ausdrückliche Berücksichtigung des Denkmalschutzes notwendig erscheint. Hierbei ist Art. 7 (Vermessungspläne usw.) von Bedeutung.

Im Unterschied zu den übrigen Landesdenkmalschutzgesetzen kennt das bayerische Denkmalschutzgesetz am Anfang des Gesetzes keine allgemeine Aussage zur Berücksichtigung des Denkmalschutzes in anderen Regelungen des Bundes- und Landesrechts.

Art. 5 Abs. 2 will für eine systematische Konsultation zwischen Archäologen, Städteplanern und Raumordnung Sorge tragen, damit insbesondere genügend Zeit und Mittel für eine geeignete wissenschaftliche Untersuchung der Stätte und für die Veröffentlichung der Ergebnisse zur Verfügung gestellt werden können. Damit wird in Art. 5 Abs. 2 Buchst. b) auch mit Blick auf Art. 6 gefordert, dass neben genügend Zeit auch genügend Geldmittel zur Verfügung stehen, so dass hier schon der Gedanke eingebunden ist, dass auch der Verursacher einer notwendigen wissenschaftlichen Untersuchung (Rettungsgrabung) finanziell beteiligt werden kann. Dies entspricht auch den vorangegangenen Empfehlungen des Europarats Nr. R (89) 5 vom 13. April 1989, auf die das Malta-Übereinkommen in der Präambel ausdrücklich Bezug nimmt und der bereits zitierten ICOMOS - Charta von Lausanne von 1989 [62].

Art. 5 Abs. 3 will sicherstellen, dass bei Umweltverträglichkeitsprüfungen und den sich daraus ergebenden Entscheidungen die archäologischen Stätten und ihr Umfeld in vollem Umfang berücksichtigt werden. Diese Forderung zeigt, dass es bei dem Übereinkommen von Malta auch darum geht, dass der Denkmalschutz im Bundesrecht bei der zunehmenden Zahl der UVP-Verfahren in vollem Umfang berücksichtigt wird [63]. Nach § 2 Abs. 1 Nr. 3 UVPG [64] sind Auswirkungen auf "Kulturgüter und sonstige Sachgüter" einbezogen. Nun wird es darauf ankommen, dass die integrierte Erhaltung des rchäologischen Erbes auch in dem nach der Verfassungsreform von 2006 angestrebten Umweltgesetzbuch des Bundes berücksichtigt wird.

Art. 5 Abs. 4 empfiehlt dafür zu sorgen, dass im Zuge der Erschließungsarbeiten gefundene Elemente des archäologischen Erbes soweit praktisch möglich an Ort und Stelle erhalten bleiben. Es geht dabei um die Erhaltung am orginalen Ort, nicht nur um die Pflicht, nach Art. 8 Abs. 2 BayDSchG die aufgefundenen Gegenstände und der Fundort bis zum Ablauf einer Woche unverändert zu belassen. Die Veränderungsverbote des Art. 6 Abs. 1 BayDSchG betreffen zunächst einmal Baudenkmäler und geschützte Ausstattungsstücke oder die Nähe von Baudenkmälern und Ensembles, so dass der Schutz von Bodendenkmälern nach Art. 7 BayDSchG wie die Verbringung an einen anderen Ort noch unzureichend geregelt zu sein scheint.

Art. 5 Abs. 5 erkennt den öffentlichen Zugang zu archäologischen Stätten an, stellt aber auch fest, dass hier nicht auf Kosten des archäologischen und wissenschaftlichen Charakters dieser Stätten und ihrer Umgebung vorgegangen werden darf. Entsprechend sollen nach fast allen Denkmalschutzgesetzen Denkmäler der Öffentlichkeit im Rahmen des Zumutbaren zugänglich gemacht werden (z. B. § 1 NdsDSchG).

10. Bereitstellung finanzieller Mittel (Art. 6)

Dieser Artikel ist ein Kernstück des Übereinkommens. Er befasst sich mit der Bereitstellung der finanziellen Mittel, einer Schicksalsfrage der Bodendenkmalpflege.

Nach Art. 6 Abs. 1 verpflichtet sich jede Vertragspartei, für die öffentliche finanzielle Unterstützung der archäologischen Forschung durch die gesamtstaatlichen, regionalen und kommunalen Behörden entsprechend der jeweiligen Zuständigkeit zu sorgen. Daraus folgt, dass der jeweilige Gesetzgeber für seinen Zuständigkeitsbereich auch die Rechtspflicht hat, in seinem Haushaltsplan Mittel für die Bodendenkmalpflege bereitzustellen. Dies ergibt sich auch aus den Denkmalschutzartikeln der Landesverfassungen wie Art. 141 Bay.LV, wonach Kultur, Kunst und Wissenschaft durch das Land und die Gemeinden zu pflegen und zu fördern sind. Die Denkmäler der Kunst, der Geschichte und der Kultur stehen unter dem Schutz des Landes, der Gemeinde und der Gemeindeverbände. Daher hat für Bayern der Bayerische Verwaltungsgerichtshof mit Urteil vom 04. Juni 2003 entschieden, dass eine Gemeinde keinen Erstattungsanspruch gegen den Staat für aufgewendete Grabungskosten hat, da die Gemeinde durch die Aufstellung eines Bebauungsplans letztlich die Rettungsgrabung erzwungen hat [65].

Art. 6 Abs. 2 ist von großer Bedeutung, da er „den für Erschließungsvorhaben Verantwortlichen die Last auferlegt, die durch diese Vorhaben erforderlichen archäologischen Arbeiten zu finanzieren“ [66]. Diese Forderung ist nicht neu, sondern geht auf die bereits erwähnte Europarats-Empfehlung Nr. R (89) 5 und die ICOMOS-Charta von Lausanne zurück, nach der das archäologische Erbe gemäß Art. 3 Abs. 2 der ganzen Menschheit gehört. Somit ist es die Pflicht eines jeden Landes, die Bereitstellung der erforderlichen finanziellen Mittel zum Schutz dieses Erbes zu gewährleisten. Daher muss es geschützt werden, aber die Kosten für diesen Schutz dürfen nach dem amtlichen Kommentar zu Art. 6 [67] „nicht von der Öffentlichkeit getragen werden, wenn die Kosten dadurch entstehen, dass für Private Interessen Gewinn erzielt wird. Wer aus den Erschließungsarbeiten Nutzen zieht, ist auch für die Bewahrung dessen verantwortlich, was durch seine Tätigkeit in Mitleidenschaft gezogen wird“ (so der zitierte amtliche Kommentar). Somit fordert Art. 6 des Übereinkommens von Malta ausdrücklich die Einführung des Verursacherprinzips. In Rheinland-Pfalz wurde dies bei der Zustimmung im Landtag auch ausdrücklich unter Nennung des Art. 6 des Übereinkommens von Malta festgestellt [68].

Das OVG Koblenz hat in seinem Urteil vom 14. Februar 2003 [69] ausdrücklich auf Art. 6 des Europäischen Übereinkommens von Malta Bezug genommen. In diesem Zusammenhang hat das OVG Koblenz darauf hingewiesen, dass es bei dem streitigen "Investorenvertrag" um eine "Rettungsgrabung" geht, eine Grabung also, die allein durch äußere Umstände durch den Investor erzwungen wurde. Mit den Kosten solcher Rettungsgrabungen befasst sich nach den Feststellungen des OVG neuerdings das revidierte Übereinkommen zum Schutz des archäologischen Erbes, das mittlerweile von der Bundesrepublik Deutschland ratifiziert worden ist.

In dessen Art. 6 verpflichten sich die Vertragsparteien die Deckung der Gesamtkosten etwaiger notwendiger archäologischer Arbeiten im Zusammenhang mit groß angelegten öffentlichen oder privaten Erschließungsvorhaben aus Mitteln der öffentlichen Hand bzw. der Privatwirtschaft vorzusehen. Dies wird nach dem OVG damit begründet, dass die erforderlichen Kosten archäologischer Arbeiten nicht von der Öffentlichkeit getragen werden dürfen, wenn sie dadurch entstehen, dass für private Interessen Gewinn erzielt wird: Wer aus den Erschließungsarbeiten Nutzen ziehe, sei auch für die Bewahrung dessen verantwortlich, was durch seine Tätigkeit in Mitleidenschaft gezogen werde [70].

Für Bayern wird behauptet, dass der Grundsatz des Verursacher-/Veranlasserprinzips zu Recht nicht verankert worden ist, "da derjenige, der einen Eingriff in ein Bodendenkmal veranlasst, durch eine Auflage zur Tragung der genannten Kosten verpflichtet werden kann und muss, weil er keinen Rechtsanspruch auf die denkmalrechtlich notwendige Erlaubnis hat, wenn durch den Eingriff ein Bodendenkmal – wie meist – zerstört oder beschädigt werden kann" [71].

Da viele Eingriffe in den Boden durch Planfeststellungsverfahren gerechtfertigt sein werden, werden diese Auflagen bei den noch unbekannten Bodendenkmälern in Bayern schwer durchzusetzen sein. In der Literatur wird sogar die Auffassung vertreten, dass es bei unbekannten Kulturdenkmälern an dem Grund zu einer Auflage fehlt [72].

Es fällt bei einigen Befürworten wie Gegnern des ungeschriebenen Verursacherprinzips auf, dass sie das Denkmalschutzgesetz nicht im Lichte der Vorgaben des höherrangigen Übereinkommens von Malta (Art. 5 Abs. 2, 6 Abs.2) dahin auszulegen, dass die finanzielle Beteiligung Privater, die durch die Ausgrabung einen Vorteil haben, geboten bzw. nicht ausgeschlossen ist [73].

Zur Rechtsklarheit und zur besseren Erfüllung der Vorgaben aus Art. 6 des Übereinkommens von Malta erscheint es jedoch geboten, das Verursacherprinzip ausdrücklich im DSchG zu regeln [74]. Hierzu werden die Erfahrungen aus Ländern mit Veranlasserprinzip hilfreich sein.


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