Aufsatz zur "Charta von La Valetta" «zurück» 123456 «weiter»

11. Austausch, öffentliches Bewusstsein (Art. 7 bis 9)

Die nachfolgenden Art. 7 und 8 betreffen die Sammlung und Verbreitung wissenschaftlicher Informationen.

Nach Art. 9 soll das öffentliche Bewusstsein gefördert werden. Dies entspricht weitgehend der Forderung nach Information und Ausbildung in Art. 15 und 16 des Übereinkommens von Granada 1985. Die aufgeführten Maßnahmen müssen in den Landesdenkmalschutzgesetzen vorgeschrieben werden, wobei dem Gesetzgeber insbesondere bei Art. 9 ein Ermessensspielraum bleibt.

12. Verhinderung der unerlaubten Weitergabe (Art. 10 und 11)

Art. 10 betrifft die Verhinderung der unerlaubten Weitergabe von Elementen des archäologischen Erbes. Diese Regelung ist zugleich ein europäischer Beitrag zu dem UNESCO-Übereinkommen von 1970 über Maßnahmen zum Verbot und zur Verhütung der rechtswidrigen Einfuhr, Ausfuhr und Übereignung von Kulturgut, das nun endlich nach über 35 Jahren auch von Deutschland mit Gesetz vom 20. April 2007 [75] ratifiziert worden ist. Dies ist zugleich eine europäische Ergänzung zu Art. 4 Abs. 4 der Haager Konvention von 1954 und dem dazugehörigen Protokoll von 1954 [76].

Mit dem Gesetz zur Ausführung des UNESCO-Übereinkommens vom 14. November 1970 über Maßnahmen zum Verbot und zur Verhütung der rechtswidrigen Einfuhr, Ausfuhr und Übereignung von Kulturgut vom 18. Mai 2007 [77] wurde ein Teil der internationalen Vorgaben umgesetzt. Kunst- und Antiquitätenhandel sowie das Versteigerungsgewerbe haben nun z. B. nach § 18 dieses Kulturgüterrückgabegesetzes vom 18. Mai 2007 eine Aufzeichnungspflicht über die Identität des Kulturguts, doch ist hierbei eine Bagatellgrenze eingeführt, so dass als Kulturgut im Sinne des § 18 Abs. 1 ein Gegenstand im Wert von 1000 Euro gilt.

Folglich ist die Menge des erdgeschichtlichen und archäologischen Fundguts praktisch von diesem Gesetz freigestellt. Auch dies erklärt den mittlerweile verstärkten Ruf nach einem Schatzregal!

Mit Art. 10 übernehmen die Vertragsstaaten eine Reihe von Verpflichtungen, um die unerlaubte Weitergabe von Elementen des archäologischen Erbes zu verhindern. Nach dem Wortlaut des Artikels bedeutet "unerlaubte Weitergabe" den Handel mit Gegenständen, die aus einer unerlaubten Ausgrabung stammen oder bei einer amtlichen Ausgrabung entwendet wurden.

Bei ersteren handelt es sich um Ausgrabungen, die nicht nach der Maßgabe der in Art. 3 Nummer 1 vorgesehenen Verfahren genehmigt wurden. Auch wenn der Bund hier primär wegen seiner seit der Verfassungsreform von 2006 nach Art. 73 Abs. 1 Nr. 5 a GG ausschließlichen Gesetzgebungskompetenz zum Schutz deutschen Kulturgutes gegen Abwanderung [78] in der Pflicht ist, kann Bayern z. B. durch die Unterschutzstellung von beweglichen Denkmälern nach Art. 3 Abs. 1 DSchG zur territorialen Bindung des Kulturguts in seinem Land einen Beitrag leisten [79].

So konnte z. B. in Rheinland-Pfalz dank eines Beschlusses des Oberverwaltungsgerichts 1987 [80] eine private Fossiliensammlung als bewegliches Kulturdenkmal mit 2888 registrierten Einzelteilen wirksam geschützt und am Ort erhalten werden. Dagegen kennt Berlin keinen förmlichen Schutz beweglicher Denkmäler, so dass hier eine Erweiterung des gesetzlichen Schutzes nötig wäre.

Zur Verhinderung der unerlaubten Weitergabe könnte entsprechend der bisher bereits bestehenden freiwilligen Verpflichtungen wie der Berliner Resolution 2003 [81] im jeweiligen Denkmalschutzgesetz festgelegt werden, dass Institutionen des Landes, der Landschaftsverbände und der Gemeinden keine Kulturgüter erwerben oder ausstellen dürfen, die gestohlen oder sonst abhanden gekommen, rechtswidrig ausgegraben oder rechtswidrig aus einem anderen Land ausgeführt wurden.

Nach Art. 11 greift das (revidierte) Übereinkommen geltenden oder künftigen zwei- oder mehrseitigen Verträgen über die unerlaubte Weitergabe von Elementen des archäologischen Erbes oder deren Rückgabe an den rechtmäßigen Eigentümer nicht vor. Gedacht hatte man damit insbesondere an das Europäische Übereinkommen über Straftaten im Zusammenhang mit Kulturgut, das Deutschland bisher noch nicht ratifiziert hat und das bereits hier erwähnte UNESCO-Übereinkommen von 1970, das nun seit 2007 ratifiziert ist. Daneben berücksichtigt z. B. auch das Protokoll zu der Konvention zum Schutz von Kulturgut bei bewaffneten Konflikten vom 14. Mai 1954 die Ausfuhrverhinderung, die Rückgabe usw [82].

13. Art. 12 bis 18

Art. 12 regelt die gegenseitige technische Hilfe. Art. 13 betrifft die Überwachung der Anwendung des (revidierten) Übereinkommens, mithin keine Regelungsgegenstände des Landesdenkmalrechts. Bei den Schlussklauseln der Art. 14 f. fällt auf, dass das Übereinkommen keine Föderalismusklausel vergleichbar Art. 34 der Welterbekonvention von 1972 enthält, die die Gliedstaaten, Kantone oder Bundesländer berücksichtigt. Gleichwohl sind die Bundesländer schon durch die Bindung an Recht und Gesetz (Art. 20 Abs. 3 GG) und den Grundsatz des bundesfreundlichen Verhaltens verpflichtet, das Übereinkommen von Malta umzusetzen.

III. Verpflichtungen aus der Mitgliedschaft in der EU

Die Gemeinschaft leistet nach Art. 151 Abs. 1 des EG-Vertrages (EGV) einen Beitrag zur Entfaltung der Kulturen der Mitgliedsstaaten unter Wahrung ihrer nationalen und regionalen Vielfalt sowie gleichzeitiger Hervorhebung des gemeinsamen kulturellen Erbes. Sie fördert nach Art. 151 Abs. 2 EGV durch ihre Tätigkeit die Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten und unterstützt und ergänzt erforderlichenfalls deren Tätigkeit z. B. nach Spiegelstrich 2 des Absatzes 2 bei der Erhaltung und dem Schutz des kulturellen Erbes von europäischer Bedeutung. Es geht somit um das materielle kulturelle Erbe [83] im Sinne der europäischen Übereinkommen von Granada 1985 und Malta 1992. Hierbei müssen schon aus verwaltungspraktischen Gründen die Mitgliedsstaaten bestimmen, welchen Gegenständen des kulturellen Erbes europäische Bedeutung zukommt.

Die Gemeinschaft trägt nach Art. 151 Abs. 4 EG-Vertrag bei ihrer Tätigkeit aufgrund anderer Bestimmungen dieses Vertrages den kulturellen Aspekten Rechnung. Mit dieser "Kulturverträglichkeitsklausel" hat die EU die Berücksichtigung des archäologischen Erbes als Teil des kulturellen Erbes in anderen das kulturelle Erbe tangierenden Bereichen festgeschrieben, was z. B. bei der Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) sichtbar wird. In Deutschland dagegen hat sich das Deutsche Nationalkomitee für Denkmalschutz seit 2005 vergeblich um ein "Zweites Gesetz zur Berücksichtigung des Denkmalschutzes im Bundesrecht" bemüht.

IV. Verpflichtung aus UNESCO-Vorgaben

Auch das mit Gesetz vom 01. März 2007 [84] von Deutschland ratifizierte UNESCO-Übereinkommen vom 20. Oktober 2005 über den Schutz und die Förderung der Vielfalt der kulturellen Ausdrucksformen verlangt in Art. 20 Abs. 1, dass die Vertragsstaaten anerkennen, dass sie ihre Verpflichtungen aus diesem Übereinkommen und allen anderen Verträgen, deren Vertragsparteien sie sind, nach Treu und Glauben zu erfüllen haben.
Diese zentrale Vorgabe des Art. 20 des Übereinkommens vom 20. Oktober 2005 bestimmt als völkerrechtliches Novum weiterhin, dass die Vertragsstaaten das Übereinkommen berücksichtigen sollen, wenn sie andere internationale Verträge interpretieren oder anwenden (Art. 20 Abs. 1 Buchst. b).

Dies gilt für das am 16. Januar 1992 in Valletta/Malta beschlossene Übereinkommen zum archäologischen Erbe wie auch für das von der UNESCO am 16. November 1972 in Paris zusammen mit einer "Empfehlung betreffend den Schutz des Kultur- und Naturerbes auf nationaler Ebene" [85] beschlossene Übereinkommen zum Schutz des Kultur- und Naturerbes der Welt. Auch die dort in Art. 1 beim Kulturerbe erwähnten Objekte oder Überreste archäologischer Art sowie die archäologischen Stätten bedürfen des ausreichenden tatsächlichen und rechtlichen Schutzes. Der ist nicht gegeben, solange z. B. "Raubgräber" am römischen Limes in Bayern als Teil des in die Welterbeliste eingetragenen Kulturerbes ungestraft mit Schatzsuchgeräten spazieren gehen und bei Entdeckung eines Schatzes mangels eines Schatzregals nach § 984 BGB noch mit der Hälfte des Schatzes als Entdeckeranteil belohnt werden.

V. Ergebnis

Nach der hier vorgenommenen Gegenüberstellung des Übereinkommens von Malta mit dem bayerischen Denkmalschutzgesetz erfordert die Umsetzung des revidierten Übereinkommens in Landesrecht noch legislative Maßnahmen. Hinzu kommen für Bayern, Hessen und Nordrhein-Westfalen noch weitergehende Wünsche wie die Frage nach einem Schatzregal. Ergänzend sollte § 984 BGB nachgebessert werden, damit der Raubgräber nicht mehr wie bisher noch mit dem Entdeckeranteil am Schatzfund belohnt wird. - Da die Länder aber auch ohne die notwendigen Anpassungen bereits jetzt an Geist und Buchstabe des Übereinkommens von Malta gebunden sind, müssen schon jetzt die Vorschriften der Denkmalschutzgesetze so weit wie möglich im Lichte der Vorgaben des Übereinkommens von Malta ausgelegt werden. Trotz mancher politischer Forderungen nach Bürokratieabbau wird es bei der Erfüllung der übernommenen Verpflichtungen um eine Optimierung und nicht eine Minimierung dieser Vorgaben in der Denkmalpflege gehen, so dass aus Verantwortung für das archäologische Erbe eine „Rolle rückwärts“ in der archäologischen Denkmalpflege (Bodendenkmalpflege) nicht möglich ist.

VI. Zusammenfassung

Das Europäische Übereinkommen zum Schutz des archäologischen Erbes vom 16. Januar 1992 wurde 2002 in Deutschland ratifiziert (Art. 59 Abs. 2 GG) und ist damit als Bundesgesetz in Kraft getreten. Nun muss es wegen der Kompetenzen der Länder für den Denkmalschutz (Art. 30, 70, 83 GG) überwiegend von den Ländern transformiert werden. Dies folgt aus der Bindung an Recht und Gesetz (Art. 20 Abs. 3 GG) und der Pflicht der Länder zu bundesfreundlichem Verhalten (Bundestreue), zumal die Länder vorher gegenüber dem Bund zugestimmt hatten.

Die Gegenüberstellung der Verpflichtungen aus dem Übereinkommen mit den bestehenden Regelungen des bayerischen Denkmalschutzgesetzes ergibt, dass in Bayern legislative Maßnahmen erforderlich sind. Auch der Bund muss das archäologische Erbe mehr als bisher berücksichtigen. Eine "Rolle rückwärts" zu Lasten des Bodendenkmalschutzes darf es nach den eingegangenen Verpflichtungen nicht geben.


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